Wie die UNO-Agenda 2030 betonen sowohl die Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates als auch die Beschaffungsstrategie der Bundesverwaltung die Wichtigkeit einer verantwortungsvollen öffentlichen Beschaffung: Nachhaltigkeitsüberlegungen, der Qualitätswettbewerb und Innovationen rücken vermehrt ins Zentrum der Bundesbeschaffungen. Mit der Revision des Beschaffungsrechts hat das Parlament ein klares Signal gesetzt, dass die öffentlichen Mittel auch ökologisch nachhaltig einzusetzen sind. Bestimmungen im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und den zugehörigen Ausführungsverordnungen sehen den Einbezug ökologischer Aspekte bei der Beschaffung und ein Nachhaltigkeitsmonitoring vor.
Das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) und die Verordnung über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens der Bundesverwaltung (Org-VöB) regeln die Vergabe öffentlicher Aufträge auf Bundesebene. Das kantonale Recht stützt sich auf die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB). Mit der Revision des Beschaffungsrechts von 2019 wurden das Bundesgesetz und die Beschaffungserlasse derjenigen Kantone, die der revidierten IVöB beigetreten sind, weitestgehend harmonisiert. Gleichzeitig wurde damit das 2012 revidierte Übereinkommen der Welthandelsorganisation über das öffentliche Beschaffungswesen umgesetzt, das die Berücksichtigung von ressourcen- und umweltschonenden Vergabekriterien ausdrücklich erwähnt.
Beschaffungsrecht
Das neue Schweizer Beschaffungsrecht hat unter anderem den nachhaltigen – und damit auch ökologischen – Einsatz der öffentlichen Mittel zum Zweck. Öffentliche Auftraggeber machen sich deshalb schon im Vorfeld der Beschaffung Gedanken, wie sie ihren Bedarf möglichst ressourcenschonend decken können.
Die Berücksichtigung ökologischer Anliegen ist explizit vorgesehen, wobei auch die übrigen Gesetzeszwecke – Transparenz, Gleichbehandlung, Wettbewerbsförderung und wirtschaftlicher Einsatz der öffentlichen Mittel – zu beachten sind. Zudem dürfen nur Anbieterinnen und Anbieter am Vergabeverfahren teilnehmen, welche die massgebende Umweltschutzgesetzgebung einhalten. Der Zuschlag wird nicht dem billigsten, sondern dem vorteilhaftesten Angebot erteilt, das heisst demjenigen mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Die Angebote werden anhand von Zuschlagskriterien bewertet. Dabei kommen Qualitätsaspekten eine besondere Bedeutung zu. Je nach den zu beschaffenden Leistungen kann die Evaluation unter anderem nach Kriterien wie Lebenszykluskosten, Nachhaltigkeit, Innovationsgehalt und Kreativität stattfinden.
Auch die EU-Vergaberichtlinien räumen der nachhaltigen Beschaffung einen hohen Stellenwert ein. Die Vergabepraxis und Rechtsprechung in der EU kann Schweizer Beschafferinnen und Beschaffern als Orientierungshilfe für ihre tägliche Arbeit dienen, wie ein im Auftrag des BAFU erstelltes Rechtsgutachten aufzeigt. Der Rechtsvergleich lotet den Spielraum für nachhaltige Beschaffungen aus und beleuchtet Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich einer ökologisch verantwortungsvollen und innovativen Beschaffungspraxis.
Nachhaltige öffentliche Beschaffung: Zusammenfassung und Tabelle der gesetzlichen Bestimmungen (PDF, 554 kB, 26.04.2021)Anwaltskanzlei Matthias Hauser; Matthias Hauser, Réka Piskóty, unter Mitarbeit von Chiara Skirl, BLaw, im Auftrag des BAFU
Die Org-VöB regelt die Zuständigkeiten und die Aufgabenverteilung im Beschaffungswesen der Bundesverwaltung. Sie stellt wirtschaftlich effiziente, rechtmässige und nachhaltige Beschaffungen der Bundesverwaltung sicher. Zudem enthält sie die erforderlichen Grundlagen für den Betrieb eines Kontrollsystems für Beschaffungen der Bundesverwaltung. Dieses umfasst unter anderem ein Nachhaltigkeitsmonitoring, das über die Beachtung der wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und innovativen Aspekte in den Beschaffungsverfahren Aufschluss gibt.
Strategische Grundlagen
Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030
Die Bundesverfassung bezeichnet die Nachhaltige Entwicklung als ein Ziel des Bundes und verlangt den Einsatz der Schweiz für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Um diesen Verfassungsauftrag umzusetzen und den internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden, formuliert der Bundesrat eine Nachhaltigkeitsstrategie, deren Umsetzung vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE koordiniert wird.
Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 und der zugehörige Aktionsplan beinhalten Massnahmen zur Förderung der verantwortungsvollen öffentlichen Beschaffung. Der Bund bekennt sich dazu, eine Vorbildfunktion einzunehmen, indem er Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen beschafft, die über ihren gesamten Lebensweg hohen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Anforderungen genügen.
Beschaffungsstrategie
Die Beschaffungsstrategie der Bundesverwaltung fokussiert für die Strategieperiode 2021 bis 2030 auf die Umsetzung des totalrevidierten Beschaffungsrechts. Nachhaltigkeitsüberlegungen, der Qualitätswettbewerb und Innovationen sollen bei den Bundesbeschaffungen vermehrt berücksichtigt werden. Zu den Zielvorgaben gehören die Verwendung von nachhaltigkeitsorientierten Vergabekriterien sowie die Beschaffung besonders nachhaltiger und ressourcenschonender Leistungen mit Hilfe innovativer Ansätze.
Leitsätze der Beschaffungskonferenz des Bundes (BKB)
Die BKB-Leitsätze enthalten das gemeinsame Verständnis zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, das sich an den ISO-Standard 20400 anlehnt. Die Leitsätze decken alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Wirtschaft, Soziales, Ökologie) entlang des gesamten Beschaffungsprozesses ab und definieren die Anforderungen an die Beschaffungsstellen sowie den Beschaffungsgegenstand. Sie stellen die Grundlage für die Erarbeitung von Hilfsmitteln und Unterlagen dar, um die Einkäuferinnen und Einkäufer auf allen drei föderalen Stufen bei der wirkungsorientierten Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung zu unterstützen.
Weiterführende Informationen
Links
Dokumente
Gutachten Nachhaltige öffentliche Beschaffung: Vergleich der EU-Richtlinien 2014/24/EU bzw. 2014/25/EU mit dem neuen BöB und der neuen VöB hinsichtlich der Vorgaben und des Spielraums bezüglich nachhaltiger öffentlicher Beschaffung (PDF, 1 MB, 26.04.2021)Anwaltskanzlei Matthias Hauser; Matthias Hauser, Réka Piskóty, unter Mitarbeit von Chiara Skirl, BLaw, im Auftrag des BAFU
Das Ökologische Beschaffungswesen unter dem revidierten Vergaberecht (PDF, 92 kB, 28.09.2020)Ein Artikel von Rika Koch, publiziert in Jusletter
Gutachten ökologischer Transport (PDF, 398 kB, 10.12.2020)Advokatbüro Keller Schmutz Eisenhut Stucki; Daniel Stucki, im Auftrag des BAFU.
La durabilité dans le nouveau droit des marchés publics : un changement de paradigme effectif ? (PDF, 307 kB, 25.10.2020)Ein Artikel von Federica De Rossa Gisimundo und Clarissa David, publiziert auf Französisch am 20.11.2020 in sui generis.
WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen: Eine Einschätzung des Spielraums für die umweltfreundliche Beschaffung (PDF, 170 kB, 01.12.2015)Ein Artikel von Marc Steiner, publiziert in Englisch auf der Seite des lnternational Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD).
Letzte Änderung 30.11.2020