Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Umweltbereich

Im Umweltbereich pflegt die Schweiz enge Beziehungen zur Europäischen Union (EU). Sie nimmt regelmässig an den informellen Treffen der EU-Umweltministerinnen und -minister teil und ist seit dem 1. April 2006 Mitglied der Europäischen Umweltagentur (EUA). Auf mehreren Gebieten hat die Schweiz ihre Umweltgesetzgebung bereits weitgehend mit derjenigen der EU in Einklang gebracht.


Grüner Deal der EU

Der von der Kommission im Dezember 2019 vorgestellte Grüne Deal sieht ehrgeizige Vorschläge zur Umweltpolitik und eine Ökologisierung («greening») anderer Politikbereiche vor. Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden.

Um bis 2030 eine Verminderung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen, wurde im Rahmen des Grünen Deals eine allgemeine Verschärfung der EU-Klimagesetzgebung vorgenommen. Hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft will die EU den Schwerpunkt vermehrt auf Design und Produktion sowie auf die Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher legen anstatt nur auf Recycling. Eine neue Biodiversitätsstrategie muss zu verbindlichen Zielen in diesem Bereich führen. Die EU plant, die Umweltverschmutzung und die Entwaldung härter zu bekämpfen.

Viele der im Grünen Deal niedergelegten Ziele für eine nachhaltigere Entwicklung werden sowohl von der Schweiz als auch von der EU verfolgt. Der neue Elan der EU könnte der Schweiz zugutekommen; allerdings werden bestimmte Massnahmen womöglich zu Handelshemmnissen führen, wie etwa die Produktvorschriften, oder besondere Herausforderungen darstellen, so zum Beispiel die beschlossene Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems.

Europäische Umweltagentur (EUA), Konferenzen der EU-Umweltminister und der Leiter der nationalen Umweltagenturen der EU

Die EUA ist eine Agentur der EU, die Entscheidungsträgerinnen und -trägern und der Öffentlichkeit verlässliche und zeitnahe Informationen über die Umwelt zur Verfügung stellt.

Im Rahmen des bilateralen Abkommens Umwelt mit der EU (Bilaterale II) wurde 2006 die Teilnahme der Schweiz an der EUA beschlossen. Die Schweiz ist Vollmitglied der EUA und des Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes (Eionet). Die EUA analysiert Daten zum Zustand der Umwelt in den 32 Mitgliedsländern (EU-27, EFTA-4 plus die Türkei) und den 6 teilnehmenden Ländern des Westbalkans. Sie sorgt dafür, dass diese Daten gemeinsame Kriterien erfüllen und dadurch vergleichbar sind. Die Schweiz ist im EUA-Verwaltungsrat vertreten, wodurch sie die von der EUA gesammelten Informationen und das Knowhow der Agentur nutzen kann. Zudem werden die sie selbst betreffenden Daten und Analysen in den Publikationen der Agentur veröffentlicht. Hingegen hat sich die Schweiz nicht dazu verpflichtet, materielle Regeln zur Umweltpolitik zu übernehmen oder ihre Vorschriften auf diesem Gebiet zu harmonisieren.

Darüber hinaus wirkt die Schweiz seit 2006 in den Netzen der Leiterinnen und Leiter der nationalen Agenturen für Umweltschutz (EPA-Netz) und für Naturschutz (ENCA-Netz) der EU mit.


Beitrag zur EU-Erweiterung

Am 30. Juni 2022 haben die Schweiz und die EU das Memorandum of Understanding (MoU) betreffend den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Die Hauptschwerpunkte dieses Beitrags, der sich auf 1,302 Milliarden Franken über zehn Jahre beläuft, sind die Berufsbildung und die Migration. Abhängig von den Prioritäten der Partnerländer können die Mittel auch in weiteren Bereichen wie Umwelt- und Klimaschutz eingesetzt werden.

Der Umwelt- und Klimaschutz ist einer der fünf im MoU festgelegten Themenschwerpunkte. Projekte in diesem Bereich müssen sich mit der Energieeffizienz und erneuerbaren Energien, dem öffentlichen Verkehr, der Wasser- und Abwasserwirtschaft, der Abfallentsorgung oder dem Schutz der Natur und der Biodiversität befassen. Welche Projekte tatsächlich durchgeführt werden, hängt von den Abkommen mit den Partnerländern und letztlich von den konkreten Vorschlägen ab, die diese Länder vorlegen.

Kroatien ist das einzige Land, in dem noch bis 2024 Projekte umgesetzt werden, die mit dem ersten Schweizer Beitrag finanziert wurden.


Integration des gemeinschaftlichen Umweltrechts in das schweizerische Recht

Neben den Abkommen über die EUA (siehe oben) und über den Emissionshandel (siehe unten) sehen die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU generell eine Übernahme der EU-Gesetzgebung durch die Schweiz beziehungsweise eine Anpassung der schweizerischen Bestimmungen an diejenigen der EU entsprechend dem Grundsatz der Äquivalenz vor. Allerdings übernimmt die Schweiz auch Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts in Bereichen, die nicht durch bilaterale Abkommen geregelt sind. Sie tut dies autonom und mit dem hauptsächlichen Ziel, Handelshemmnisse abzubauen.

Mit Blick auf die Umwelt ist unter anderem das Luftverkehrsabkommen aus dem Jahr 1999 zu erwähnen, das Bestimmungen über Lärmemissionen von Flugzeugen enthält. Zu den Zuständigkeiten der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), an der auch die Schweiz beteiligt ist, zählt unter anderem die Harmonisierung der Konstruktionsnormen für Flugzeuge, namentlich von solchen, die für den Umweltschutz von Belang sind. Auch das Landverkehrsabkommen (LVA) von 1999 sieht eine Koordination der Verkehrspolitiken vor. Dies hat es der Schweiz ermöglicht, den Schwerverkehr höher zu besteuern, um auf diesem Weg die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene zu fördern.


Sektorielle Dossiers 

Der Bundesrat ist ausgehend von den vier Bewertungskriterien Binnenmarktzugang, Kooperationsmöglichkeiten, politischer Handlungsspielraum und aussenpolitische Machbarkeit der Ansicht, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die vorteilhafteste Lösung ist.

Handel mit Treibhausgas-Emissionsrechten

Das Abkommen über die Verknüpfung der Emissionshandelssysteme der Schweiz und der EU ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Es regelt die gegenseitige Anerkennung von schweizerischen und europäischen Emissionsrechten. Da diese auf einer jeweils eigenständigen Rechtsgrundlage beruhen, übernimmt die Schweiz kein EU-Recht.

Der gegenseitige Marktzugang fördert die Flexibilität und das gute Funktionieren des CO2-Marktes und stellt sicher, dass  Schweizer Unternehmen für eine Tonne CO2 denselben Preis zahlen wie ihre Konkurrenz aus den EU- und EFTA-Staaten. Das System der EU umfasst rund 10 000 Anlagenbetreiber und 350 Luftfahrzeugbetreiber, die zusammen ungefähr 1,5 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente (CO2eq) pro Jahr ausstossen, während jenes der Schweiz mit etwa 100 Anlagen- und 150 Luftfahrzeugbetreibern jährlich insgesamt ca. 6  Millionen Tonnen CO2eq abdeckt. 

Mit diesem Abkommen werden auch die CO2-Emissionen der Zivilluftfahrt in das schweizerische Emissionshandelssystem einbezogen. Dies gilt für Inlandflüge sowie für Flüge aus der Schweiz in ein Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) und in das Vereinigte Königreich.

Das Abkommen enthält Bestimmungen, die bei einer Verknüpfung mit Dritten Anwendung finden.

Biozide

Das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) enthält ein Kapitel über Biozidprodukte (Desinfektionsmittel, Schutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel ohne Pflanzenschutzmittel). Es erleichtert den gegenseitigen Marktzugang für diese Produkte. Das Kapitel wurde im April 2015 aktualisiert, und die Rechtsgrundlagen der Schweiz und der EU wurden erneut als gleichwertig anerkannt. Eine Revision der EU-Gesetzgebung über Biozide ist derzeit nicht vorgesehen.

Industriechemikalien (REACH- und CLP-Verordnung)

In der REACH-Verordnung und der CLP-Verordnung regelt die EU die Grundpflichten für den sicheren Umgang mit Chemikalien.

Nachdem im Zeitraum von 2008 bis 2013 die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU im Bereich der Chemikaliensicherheit geprüft und auf Expertenebene mit der Europäischen Kommission diskutiert wurden, beschloss der Bundesrat nach Konsultation der interessierten Kreise am 11. September 2015, bis auf Weiteres die Aufnahme von Verhandlungen mit der EU nicht mehr aktiv zu verfolgen und eine eigenständige Weiterentwicklung des Schweizer Chemikalienrechts vorzunehmen. Um den von der REACH- und der CLP-Verordnung betroffenen KMU in der Schweiz eine vergleichbare Beratung wie in der EU anbieten zu können, hat der Bundesrat bei der gemeinsamen Anmeldestelle für Chemikalien des BAFU, des BAG und des SECO einen REACH-CLP-Helpdesk eingerichtet.

Parallel dazu hat der Bundesrat beschlossen, dass die Kooperationsmöglichkeiten geprüft werden sollen mit dem Ziel, die technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit internationalen Behörden und gewissen Ländern zu vertiefen. Im Dezember 2017 wurde ein Briefwechsel zwischen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und der gemeinsamen Anmeldestelle des BAFU, des BAG und des SECO abgeschlossen.

Die Schweiz passt das Chemikalienrecht regelmässig an und berücksichtigt dabei die Rechtsentwicklung in der EU und die Beschlüsse der Vertragsparteienkonferenzen der multilateralen Chemikalienübereinkommen sowie die Beschlüsse und Empfehlungen des OECD-Rats. Damit gewährleistet die Schweiz ein mit der EU vergleichbar hohes Schutzniveau für die Gesundheit und die Umwelt und sie vermeidet Handelshemmnisse.

REACH Helpdesk

Europäisches Umweltzeichen und Ressourceneffizienz

Die Schweiz hat auf die Schaffung eines eigenen offiziellen Umweltlabels verzichtet, da sie den Anschluss an das Europäische Umweltzeichen für vorteilhafter hält. Schweizer Unternehmen können dieses Umweltzeichen erwerben, sie müssen sich dazu aber an die Behörde eines EU-Mitgliedstaates wenden. Insbesondere für die Zertifizierung von Dienstleistungen – beispielsweise im Gastgewerbe – ist dies jedoch mit Nachteilen verbunden, da hierfür Kontrollen vor Ort erforderlich sind. Ein Abkommen mit der EU könnte für die Schweiz die Möglichkeit vorsehen, eine eigene Stelle für die Verleihung des Umweltzeichens einzurichten und namentlich bei der Ausarbeitung von Kriterien für die Zertifizierung verschiedener Güter und Dienstleistungen mitzuwirken.

Bereits 2001 hatte der Bundesrat im Rahmen der Bilateralen Abkommen II ein Verhandlungsmandat in Bezug auf den Anschluss an das Europäische Umweltzeichen und die Mitwirkung in der EUA verabschiedet. Damals konnte jedoch nur eine Mitgliedschaft in der EUA ausgehandelt werden. In einem breiteren Kontext zeichnet sich ab, dass neben dem gemeinsamen Interesse der Schweiz und der EU an der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen auch folgende Punkte Beachtung finden sollten: die Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen zwischen schweizerischen und EU-Unternehmen, die Öffnung des Marktes für den Schweizer Cleantech-Sektor oder sogar eine gemeinsame Unterstützung von Innovationen. Mit anderen Worten: Ein kohärenter Ansatz zur Harmonisierung der Umweltvorschriften für Produkte wäre zu prüfen (z. B. Ökolabel, Ökodesign, Umweltmanagement und Umweltaudits [EMAS], Bewertung des ökologischen Fussabdrucks [«Footprint»] von Produkten und
Unternehmen).

Erdbeobachtungsprogramm Copernicus

Im Jahr 1998 lancierten die Europäische Weltraumagentur (ESA) und die EU gemeinsam die Erdbeobachtungsinitiative Copernicus. Damit sollen in den Bereichen Umwelt und Sicherheit gezielte Dienstleistungen (Überwachung der Atmosphäre, des
Klimawandels, des Bodens, der Meeresumwelt sowie von Massnahmen im Bereich Notfallmanagement und Sicherheit) für verschiedene Anwendergruppen wie Behörden, humanitäre Organisationen und Privatunternehmen erbracht werden.

Die Schweiz beteiligte sich als Mitglied der ESA sowie über die Forschungsrahmenprogramme der EU, in denen sie mitwirkt, an der Entwicklung von Copernicus. Zudem ist sie in verschiedenen Institutionen aktiv, die im Auftrag von Copernicus arbeiten. Der Bundesrat hat im Januar 2022 entschieden, eine Teilnahme der Schweiz an Copernicus anzustreben. Diese würde ihr ein Mitspracherecht am Programm und den freien Zugang zu den Daten langfristig sichern. Ausserdem könnte so gewährleistet werden, dass die Industrie an den Ausschreibungen teilnehmen kann, die im Rahmen von Copernicus durchgeführt werden. Eine Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen deutet darauf hin, dass die Auswirkungen in der Schweiz für Hersteller von Instrumenten, für Unternehmen, die die Informationen verarbeiten, sowie für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz positiv sein dürften.

Elektrizität

Die Verhandlungen im Strombereich wurden Anfang November 2007 aufgenommen. Hauptziel der Parteien ist die Sicherstellung der Stromversorgung vor dem Hintergrund der Marktliberalisierung. Ein wichtiger Diskussionspunkt ist die EU-Richtlinie zur
Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Die Schweiz könnte genau wie die EU-Mitgliedstaaten ein nationales Ziel definieren in Bezug auf den Anteil erneuerbarer Energiequellen am Endverbrauch von Strom, Wärmeenergie und Brennstoffen. Dies könnte der Schweizer Strom- und Cleantech-Branche neue Geschäftsfelder eröffnen.

Zudem hat die EU vorgeschlagen, gewisse Bestimmungen über den internationalen Stromhandel zu übernehmen, unter anderem solche über den Naturschutz, über den Ausstoss gewisser Schadstoffe in die Atmosphäre sowie über Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Der Abschluss eines Abkommens im Strombereich hängt jedoch nach wie vor von einem Einvernehmen über institutionelle Fragen und über staatliche Beihilfen ab. Die Umsetzung des Abkommens bedingt überdies eine vollständige Öffnung des schweizerischen
Strommarkts.

Holzhandel

Seit dem 3. März 2013 verhindert die EU-Holzhandelsverordnung das Inverkehrbringen von Holz aus illegalem Holzschlag und verpflichtet die Akteure, die ein Produkt erstmalig auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, zu bestimmten Vorsichtsmassnahmen. Akteure, die bereits in Verkehr gebrachtes Holz kaufen oder verkaufen, müssen nur noch die Namen der Lieferanten und der Kunden dokumentieren. Die mit der Holzhandelsverordnung auferlegte Sorgfaltspflicht kann ein Handelshemmnis für die Schweizer (Wieder-)Ausführer bilden.

Als Antwort auf mehrere parlamentarische Motionen verabschiedete das Parlament am 27. September 2019 eine Änderung des Umweltschutzgesetzes, die es dem Bundesrat ermöglichte, auf dem Verordnungsweg eine Regelung einzuführen, die gleichwertig zu jener der EU ist und das Inverkehrbringen von illegal geschlagenem Holz verbietet. Diese ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Eine vollständige Gleichbehandlung von schweizerischen und europäischen Erstinverkehrbringern von Holz oder daraus gefertigten Produkten kann aber nur durch eine Vereinbarung mit der EU erreicht werden.

Die EU dürfte demnächst eine Verordnung zur Eindämmung der von ihr verursachten Entwaldung verabschieden. Diese wird die Bestimmungen der bestehenden Holzverordnung weitgehend übernehmen und darüber hinaus darauf abzielen, den europäischen Konsum von Produkten, die mit legaler oder illegaler Entwaldung in Verbindung stehen, zu minimieren, indem der Import solcher Produkte nur erlaubt ist, wenn die gesamte Lieferkette entwaldungsfrei ist. Die Verordnung gilt voraussichtlich für die Rohstoffe Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz und Kautschuk sowie für Produkte, die die genannten Rohstoffe enthalten oder daraus hergestellt werden (wie Leder, Schokolade, Möbel, Holzkohle oder bedruckte Papierprodukte).

Weiterführende Informationen

Kontakt
Letzte Änderung 26.05.2023

Zum Seitenanfang

https://www.bafu.admin.ch/content/bafu/de/home/themen/internationales/organisationen/beziehungen-zwischen-der-schweiz-und-der-eu-im-umweltbereich.html