Das Wohnen gehört nach Ernährung und vor Mobilität zu den Konsum- und Produktionsbereichen mit den grössten Auswirkungen auf die Umwelt. Die negativen Folgen liessen sich senken durch eine qualitätsvolle Siedlungsentwicklung nach innen, die auf genügend Grünräumen, einer Weiterentwicklung und Sanierung der bestehenden Bauten, einer hohen Baukultur und auf kurzen Wegen aufbaut. Dies kommt nicht nur dem Boden, der Biodiversität und dem Klima, sondern auch der Lebensqualität zugute. Darüber hinaus haben energetische Sanierungen und umweltschonende, wiederverwendete oder rezyklierbare Baumaterialien grosses Potenzial, den Material- und Energiebedarf zu verringern.
Qualitätsvolle Siedlungsentwicklung nach innen mit vielfältigen Grünräumen
Kompakte Siedlungskerne, in denen Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Einkaufen und Freizeit nahe beieinanderliegen, ein wichtiger Aspekt der nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Denn kurze Wege verringern die Mobilität, bremsen die Zersiedelung und steigern die Standortattraktivität.
Wichtig ist dabei, dass gerade im Zuge der Siedlungsentwicklung nach innen die Erholungs- und Freiräume im bebauten Gebiet eine hohe Qualität aufweisen. Es gilt, die verbleibenden Flächen ökologisch aufzuwerten oder auch neue Grünflächen auf Dächern oder an Fassaden zu schaffen. Diese qualitätsvollen und naturnah gestalteten Wohn- und Arbeitsumgebungen ermöglichen Erholung und Naturerlebnisse, gleichzeitig leisten sie einen Beitrag zu Hitzeminderung und Wasserretention und fördern die Biodiversität. Für die Wohnzufriedenheit und das Wohlbefinden der Menschen ist es zudem wichtig, auch die akustische Qualität zu berücksichtigen.
Ein zentraler Punkt der nachhaltigen Innenentwicklung ist zudem, dass sie sich auf das heute schon überbaute und erschlossene Gebiet und damit die Weiterentwicklung des Bestands und die Nutzung brachliegender Flächen und Baulücken innerhalb des Siedlungsraums konzentriert. Dabei bieten insbesondere die Agglomerationsgürtel grosses Potenzial und mögliche Experimentierräume für verdichtetes Wohnen mit hoher Baukultur und vielfältigen Grünräumen.
Hier können Bund, Kantone, Städte und Gemeinden mit ihren Instrumenten, wie zum Beispiel den Agglomerationsprogrammen oder den Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung, einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Umsetzung der baulichen Entwicklung nach innen optimal mit landschaftlichen und natürlichen Qualitäten zu verbinden. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es wichtig, alle betroffenen Akteure in die Planungsprozesse einzubinden.
- Im Rahmen der bestehenden Instrumente, Prozesse initiieren, welche Naturwerten und Baukultur Rechnung tragen und gleichzeitig kompakte Siedlungen ermöglichen
- Ruhige, zu Fuss oder mit dem Velo gut erreichbare, naturnahe Grünräume und Gewässer für Erholung, Biodiversität und Klimaanpassung einplanen
- Ökologischen Ausgleich im Siedlungsraum stärken
- Quartiere mit durchmischter Nutzung fördern
- Bei Ausschreibung von öffentlichen Architekturwettbewerben Naturwerte, Bodenverbrauch und Baukultur gewichten
- Gemeindeübergreifende Visionen für die Agglomerationsgürtel als Ganzes entwickeln
- Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden fördern, in kantonsübergreifenden Handlungsräumen denken
- Austausch zu Good Practice fördern
- Bevölkerung in die Ausarbeitung der raumplanerischen Konzepte einbeziehen
- Akteure (Gemeindeverwaltungen, Planer/innen, Investoren/innen, Bevölkerung) bezüglich Naturwerten und Baukultur sensibilisieren
- Landschafts- und baukulturelle Beratung für Gemeinden anbieten
- Experimentierräume, Reallabore auf Quartier-, Gemeinde und Regionsebene ermöglichen
- Gesetzliche Rahmenbedingungen / Bundesstrategien
- Verkehrs- und Raumplanung / Infrastrukturen
- Ökonomische und steuerliche Anreize
- Förderprogramme
- Vorbildrolle öffentliche Hand
- Transparenz / Produkteinformation
- Zusammenarbeit / Dialog
- Ausbildung / Sensibilisierung
- Innovation / Forschung / Pilotprojekte
- Neue Geschäftsmodelle
Biodiversität im Siedlungsraum
Bundesamt für Raumentwicklung ARE: Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung
Bundesamt für Raumentwicklung ARE: Programm Agglomerationsverkehr
Bundesamt für Gesudheit BAG: Gesundheitspolitische Strategie des Bundesrats 2020–2030
Bundesamt für Kultur BAK: Strategie Baukultur
Bundesamt für Wohnungswesen BWO: Wohnen und Wohnumfeld
Energetische Sanierung von Altbauten und Ersatz fossiler Heizungssysteme
Würden alle Altbauten unter Berücksichtigung ihrer baukulturellen Qualitäten auf Minergie-Standard saniert, könnte der Energieverbrauch pro Person im Vergleich zu heute um über 30 % sinken. Und durch den Ersatz von fossilen durch erneuerbare Heizsysteme könnten weitere 30 % der aktuellen CO2-Emissionen im Betrieb eingespart werden.
Entsprechend wird die graue Energie zukünftig deutlich mehr ins Gewicht fallen. Diese kann wiederum durch die Verwendung umweltschonender Dämmstoffe wie Stroh und Standards wie Minergie-Eco deutlich reduziert werden.
Bei energetischen Sanierungen spielen private Eigentümerinnen und Eigentümer eine wichtige Rolle: Sie besitzen zwei Drittel aller Wohngebäude – über die Hälfte davon Einfamilienhäuser – und knapp die Hälfte aller Mietwohnungen.
Doch auch institutionellen Eigentümern (z. B. Immobiliengesellschaften, Pensionskassen, Stiftungen, Banken) kommt eine Schlüsselrolle zu, da sie rund 40 % aller Wohnungen besitzen. Denn die institutionellen Eigentümer besitzen mehrheitlich Mehrfamilienhäuser, bei denen einzelne Massnahmen einen grösseren absoluten Effekt erzielen als bei Einfamilienhäusern. Zudem verfügen sie über die nötigen finanziellen Mittel.
Insgesamt muss die Sanierungsquote hierzulande jedoch noch erhöht werden: Pro Jahr wird von hundert Gebäuden lediglich eines energetisch saniert.
Hier helfen das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen, aber auch neue Finanzierungsmodelle zur Kostenteilung zwischen Mietern und Eigentümern, um energetische Sanierungen zukünftig zu fördern und sozial gerecht zu gestalten.
Gleichzeitig gilt es, Bildung, Forschung und Innovationen zu fördern und neben der bestehenden CO2-Abgabe weitere Anreize zu schaffen, damit fossil betriebene Heizungen durch Systeme ersetzt werden, die erneuerbare Energiequellen nutzen. Eine Möglichkeit dafür sind zusätzliche Förderbeiträge wie in den Vernehmlassungsunterlagen zum neuen CO2-Gesetz vorgesehen, mit denen private Hausbesitzer zum Austausch fossiler Heizungen und ineffizienter Elektroheizungen motiviert werden.
- Fossilen Heizungsersatz regeln
- Leitungsgebundenes Nah- und Fernwärmenetz wo sinnvoll ausbauen
- Vermehrt Energierichtplanungen einsetzen
- CO2-Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe weiterführen
- Ersatz fossiler Heizungen durch erneuerbare Heizsysteme fördern
- Darlehensbeträge für gemeinnützige Wohnbauträger an nicht fossile Wärmeversorgung koppeln
- Eigene Liegenschaften ohne fossile Energie heizen/kühlen
- Bei Energielabels für Gebäude auch THG-Ausstoss berücksichtigen
- Lokale und regionale Energieplanungen für eine zentrale statt dezentrale Wärmeversorgung
- Fachleute aus- und weiterbilden (z. B. Installateur/innen)
- Beratungsangebot für Eigentümer/innen schaffen
- Energiespar-Contracting, um energieeffiziente Investitionen im Gebäudebereich auszulösen
- Gesetzliche Rahmenbedingungen / Bundesstrategien
- Verkehrs- und Raumplanung / Infrastrukturen
- Ökonomische und steuerliche Anreize
- Förderprogramme
- Vorbildrolle öffentliche Hand
- Transparenz / Produkteinformation
- Zusammenarbeit / Dialog
- Ausbildung / Sensibilisierung
- Innovation / Forschung / Pilotprojekte
- Neue Geschäftsmodelle
- CO2-Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe weiterführen
- Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen weiterführen
- Umfassende, energetische Sanierungen fördern und dabei soziale Auswirkungen berücksichtigen
- Eigene Liegenschaften nach höchsten Nachhaltigkeits-Standards sanieren
- Informationen zum Energieverbrauch der Gebäude sichtbarer machen, z. B. bei der Vermarktung
- Fachpersonal im Gebäudebereich aus- und weiterbilden
- Wissen zu innovativen Technologien und Materialien schneller in die Praxis einbringen
- Beratungsangebot für Eigentümer/innen schaffen
- Forschung zu qualitativer Sanierung von Bestandsgebäuden
- Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte fördern
- Neue Finanzierungsmodelle schaffen, um Sanierungen sozialverträglich zu gestalten
- Erneuerungsfonds bei Stockwerkeigentum anlegen
- Gesetzliche Rahmenbedingungen / Bundesstrategien
- Verkehrs- und Raumplanung / Infrastrukturen
- Ökonomische und steuerliche Anreize
- Förderprogramme
- Vorbildrolle öffentliche Hand
- Transparenz / Produkteinformation
- Zusammenarbeit / Dialog
- Ausbildung / Sensibilisierung
- Innovation / Forschung / Pilotprojekte
- Neue Geschäftsmodelle
Bundesamt für Energie BFE: Gebäude
EnergieSchweiz: Energieeffiziente Gebäude
Bundesamt für Wohnungswesen BWO: Sonderprogramm 2021-2025
Kreislaufwirtschaft: Ressourcenschonendes Erhalten und Bauen
Um die Umweltwirkung des Baues weiter zu reduzieren, müssen Massnahmen in Zukunft vermehrt beim Bau- und Sanierungsprozess und bei der Herstellung der Baustoffe ansetzen.
Einerseits, indem umweltverträglichere Baustoffe wie Holz, CO2-armer Beton oder biobasierte Dämmstoffe verwendet werden.
Andererseits, indem Materialien und Ressourcen so lange wie möglich in Umlauf gehalten, wiederverwendet, repariert und wiederaufbereitet werden. Voraussetzung für diese sogenannte Kreislaufwirtschaft ist, dass die Materialien trennbar und rezyklierbar sind, beispielsweise durch das Bauen mit zerlegbaren Modulen.
Hoch ist das Potenzial für solch ein nachhaltiges Handeln insbesondere bei Bestandsbauten, die umgenutzt oder erweitert werden können. Ersatz- und Neubauten hingegen lohnen sich aus Sicht der Umwelt nur im Ausnahmefall.
- Vorgaben zur Berücksichtigung grauer Umweltbelastung sowie Ökodesign & Kreislauftauglichkeit bei Bauteilen und Gebäuden in der Gesetzgebung, SIA-Normen oder Nachhaltigkeitslabels verankern
- Nachhaltigkeitsstandards & Kreislauftauglichkeit als Pflicht bei Neubauten einführen
- Eine erweiterte Herstellerverantwortung einführen
- Deponieren von verwertbaren Abfällen einschränken
- Programme für die Verwendung lokaler und nachwachsender Baumaterialien (z. B. Holz) fördern
- Kreislauf- und Nachhaltigkeitsaspekte bei Kriterien für öffentliche Beschaffung berücksichtigen (z. B. Holzbauten)
- Material-Pass für Gebäude einführen, Materialien in Neubauten digital erfassen (z. B. Madaster)
- Image von Recyclingbaustoffen verbessern
- Bauherren und Architekten für kreislauffähiges Bauen sensibilisieren
- Austausch sowie Aus- und Weiterbildung von Fachleuten fördern
- Forschung zu kreislaufwirtschaftstauglichem Bauen, Baumaterialien fördern
- Umwelttechnologieförderung aufstocken
- Pilot- und Leuchtturmprojekte fördern
- Gesetzliche Rahmenbedingungen / Bundesstrategien
- Verkehrs- und Raumplanung / Infrastrukturen
- Ökonomische und steuerliche Anreize
- Förderprogramme
- Vorbildrolle öffentliche Hand
- Transparenz / Produkteinformation
- Zusammenarbeit / Dialog
- Ausbildung / Sensibilisierung
- Innovation / Forschung / Pilotprojekte
- Neue Geschäftsmodelle
Wohnvorstellungen und neue Wohnformen für einen geringeren Flächenkonsum
Gerade das Beispiel der alternativen Wohnform der Genossenschaften verdeutlicht, dass durch gemeinsam genutzte Räume – wie zum Beispiel Gästezimmer, Aufenthalts-, Arbeits- oder Hobbyräume – eine bessere Auslastung und weniger Fläche beansprucht werden können. Flexible Wohnformen bieten nicht nur eine Möglichkeit, ressourcenschonender zu wohnen, sondern auch die Chance, identitätsstiftende und qualitätsvolle Räume zu schaffen.
Einen entscheidenden Einfluss auf die Wohnsituation haben neben individuellen Präferenzen und Einkommen aber auch wirtschaftliche Faktoren wie die Mietpreise oder der Immobilienmarkt. So liegen beispielsweise die Angebotsmieten aufgrund des schweizerischen Mietrechts oft über den Bestandsmieten. Das bedeutet, dass die Mieten von aktuell auf dem Markt ausgeschriebenen Wohnungen höher sind als diejenigen in laufenden Mietverhältnissen. Somit lohnt sich der Umzug in eine kleinere Wohnung, beispielsweise wenn die Kinder ausgezogen sind, finanziell nur im Ausnahmefall. Am ausgeprägtesten ist diese Differenz zwischen Angebots- und Bestandsmieten an zentralen, gut erschlossenen und stark nachgefragten Lagen.
- Vermehrt marktwirtschaftliche Instrumente einsetzen, um die Anreize zum Flächenverbrauch zu korrigieren, z. B. durch:
- Kostenwahrheit im Verkehr
- eine verursachergerechte Kostenverteilung von Grundstückserschliessungskosten
- Mehrwertausgleich weiterentwickeln
- Gesetzliche Rahmenbedingungen / Bundesstrategien
- Verkehrs- und Raumplanung / Infrastrukturen
- Ökonomische und steuerliche Anreize
- Förderprogramme
- Vorbildrolle öffentliche Hand
- Transparenz / Produkteinformation
- Zusammenarbeit / Dialog
- Ausbildung / Sensibilisierung
- Innovation / Forschung / Pilotprojekte
- Neue Geschäftsmodelle
- Wohnmobilität innerhalb der Siedlungen fördern
- Z. B. planerischer Dichtebonus für flächensparendes Wohnen oder Flächenabgabe einführen
- Genossenschaften, alternative, gemeinschaftliche Wohnformen fördern
- Gemeinnützigen Wohnungsbau insbesondere in Kernstädten fördern
- Lokale Fachstelle schaffen, die insbesondere ältere Personen bei der Wohnungssuche unterstützt
- Neue Wohneigentumsformen wie z. B. «Eigentum auf Zeit», «Gemeinnütziges Wohneigentum» erforschen
- Strategien zur sanften Innenentwicklung in Einfamilienhaus-Quartieren, in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Eigentümer/innen entwickeln
- Sharing-Ansätze: Wohnungstauschplattformen, gemeinsam genutzte Räume (z. B. Gästezimmer, Wohnzimmer, Küche, Atelier)
- Gesetzliche Rahmenbedingungen / Bundesstrategien
- Verkehrs- und Raumplanung / Infrastrukturen
- Ökonomische und steuerliche Anreize
- Förderprogramme
- Vorbildrolle öffentliche Hand
- Transparenz / Produkteinformation
- Zusammenarbeit / Dialog
- Ausbildung / Sensibilisierung
- Innovation / Forschung / Pilotprojekte
- Neue Geschäftsmodelle
Weiterführende Informationen
Links
Agenda 2030: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung
Dokumente
VOBU von Kreislaufwirtschaftsmassnahmen im Bauwesen (PDF, 2 MB, 31.07.2022)Im Auftrag des BAFU
Die Wirkung von Nachhaltigkeit auf Immobilienwerte (PDF, 2 MB, 05.04.2022)Im Auftrag des BAFU
Studie zur Förderung der Abfallreduktion und der Wiederverwendung in der Baubranche (PDF, 25 MB, 27.07.2021)Im Auftrag des BAFU
Studie zur Kreislaufwirtschaft: Strategien im Umgang mit Bestandsbauten (PDF, 818 kB, 30.06.2020)Im Auftrag des BAFU
Wohnen mit geringer Umweltwirkung (PDF, 1 MB, 29.06.2020)Im Auftrag des BAFU
Wiederverwendung Bauen (PDF, 3 MB, 25.05.2020)Studie im Auftrag des BAFU
Letzte Änderung 16.12.2022