Die Qualitätssicherungssysteme für Mobilfunkanlagen sollen sicherstellen, dass die Mobilfunkanbieter ihre Sendeanlagen bewilligungskonform betreiben und die Grenzwerte der NISV einhalten.
Qualitätssicherungssystem (QS-System)
Im Frühling 2005 hat das Bundesgericht befunden, der Betrieb von Mobilfunkantennen müsse noch besser kontrolliert werden als bisher, insbesondere sei sicherzustellen, dass bewilligte Sendeleistungen und Senderichtungen eingehalten werden.
Um dieser Forderung des Bundesgerichts nachzukommen, hat das BAFU am 16. Januar 2006 in einem Rundschreiben die Einrichtung eines Qualitätssicherungssystems (QS-System) auf den Steuerzentralen der Netzbetreiber empfohlen. Das QS-System soll durch eine unabhängige Stelle periodisch überprüft und beglaubigt werden.
In einer Datenbank werden für jede einzelne Antenne die eingestellten Werte für die Senderichtung und die maximale Sendeleistung erfasst und täglich mit den bewilligten verglichen. Überschreitungen müssen innert 24 Stunden behoben werden, sofern dies durch Fernsteuerung möglich ist, andernfalls innerhalb einer Arbeitswoche. Die Vollzugsbehörden werden über alle allfälligen Überschreitungen informiert und haben zur Kontrolle auch eine uneingeschränkte Einsicht in die Datenbank.
Aufgrund der Publikation der Vollzugshilfe «Adaptive Antennen» vom 23. Februar 2021 mussten die Mobilfunkbetreiber ihre QS-Systeme für adaptive Antennen mit zusätzlichen Parametern, welche einen Einfluss auf Sendeleistung und Abstrahlverhalten haben, ergänzen.
Dabei handelt es sich um die folgenden Parameter:
- Status, ob die Antenne adaptiv betrieben wird
- Korrekturfaktor KAA
- Angabe des Betriebsmodus (eingestelltes Antennendiagramm, resp. «Coverage Szenario»); stimmt der Betriebsmodus mit dem umhüllenden Diagramm überein?
- Kontrolle, ob die automatische Leistungsbegrenzung aktiviert ist
- Zeitintervall, über welches die Sendeleistung bei der automatischen Leistungsbegrenzung gemittelt wird (6 Minuten)
- Angabe des Duty Cycle, wenn die Antenne mit TDD betrieben wird;
Dass die für die Kontrolle von adaptiven Antennen notwendige Parameter in den QS-Systemen der Betreiber korrekt abgebildet sind, hat das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) überprüft und am 8. Juli 2021 mit Validierungszertifikaten bestätigt, dass die Systeme für adaptive Antennen tauglich sind.
Weitere Informationen auf der Webseite des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM):
Voraussetzungen zum Betrieb adaptiver Antennen sind erfüllt (admin.ch)
Qualitätssicherung zur Einhaltung der Grenzwerte der NISV bei Basisstationen für Mobilfunk und drahtlose Teilnehmeranschlüsse. 2006 (PDF, 67 kB, 16.01.2006)Empfehlung/Rundschreiben des BAFU
Cercl’Air, Arbeitsgruppe NIS, Ausschuss BGE-Entscheid (PDF, 11 kB, 15.12.2005)Antrag der Arbeitsgruppe des Cercl'Air ans BAFU
Kontrolle der abgestrahlten Leistung (ERP) von Mobilfunk-Basisstationen (PDF, 913 kB, 30.09.2005)Expertise des BAKOM
Umsetzung der Qualitätssicherungssysteme: Liste der Mobilfunkbetreiber
Folgende Firmen haben ein Qualitätssicherungssystem (QS) entweder eingeführt, in Vorbereitung oder benötigen kein QS-System.
POLYCOM
Art des Nachweises: Bescheinigung
Auditfirma: Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme SQS
Ausgestellt am: 21.11.2007
SBB AG (GSM-Rail)
Art des Nachweises: Zertifikat (ISO 9001; ISO 14001; ISO 45001)
Auditfirma: Swiss Safety Center AG
Ausgestellt am: 24.12.2022
Salt Mobile SA
Art des Nachweises: Zertifikat (ISO 9001:2015)
Auditfirma: SGS Société Générale de Survéillance SA
Ausgestellt am: 30.08.2022
Sunrise Communications AG
Art des Nachweises: Zertifikat (ISO 9001:2015)
Auditfirma: SGS Société Générale de Survéillance SA
Ausgestellt am: 21.12.2021
Swisscom (Schweiz) AG
Art des Nachweises: Zertifikat (ISO 33002)
Auditfirma: SGS Société Générale de Survéillance SA
Ausgestellt am: 15.12.2022
Stichprobenkontrollen der Qualitätssicherungssysteme
Im Auftrag des BAFU und in Zusammenarbeit mit den Kantonen wurde mittels Stichprobenkontrollen überprüft, ob die Mobilfunkanbieter ihre Sendeanlagen bewilligungskonform betreiben und ob sie das vom BAFU empfohlene Qualitätssicherungssystem in der Praxis konsequent anwenden.
In seinem Entscheid 1C_97/2018 vom 3. September 2019 hat das Bundesgericht das BAFU aufgefordert, im Rahmen seiner Aufsichtspflicht eine schweizweite Kontrolle des ordnungsgemässen Funktionierens der QS-Systeme durchführen zu lassen oder zu koordinieren. Als Vorbereitung hat das BAFU die Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrollen aus den letzten Jahren analysiert und in einem Faktenblatt zusammengefasst:
Das BAFU hat im Rahmen eines Pilotprojekts Vor-Ort-Kontrollen an 20 Mobilfunkanlagen im Jahr 2022 in Auftrag gegeben. Zudem wurden die Kontrollen in fünf Kantonen einbezogen. Insgesamt haben die kantonalen Fachstellen für nichtionisierende Strahlung 56 Anlagen kontrollieren lassen. Nachfolgend findet sich eine Übersicht über die Ergebnisse und Erkenntnisse der 76 Vor-Ort-Kontrollen:
Fragen und Antworten zum Qualitätssicherungssystem bei Mobilfunkanlagen
1. Was ist ein Qualitätssicherungssystem für Mobilfunkanlagen?
Das Qualitätssicherungssystem (QS-System) für Mobilfunkanlagen besteht im Wesentlichen aus einer Datenbank, die auf den Steuerzentralen der Netzbetreiber implementiert ist. Sie enthält für jede einzelne Antenne Angaben zu den Hardwarekomponenten und Einstellungen, die sich auf die Sendeleistung und die Senderichtung auswirken. Unter anderem enthält die Datenbank folgende Angaben:
- die Dämpfungs- oder Verstärkungsfaktoren derjenigen Komponenten, die nicht durch Fernsteuerung verändert werden können (z.B. Kabeldämpfung, Combinerdämpfung, Antennengewinn)
- manuelle Einstellungen (insb. der mechanische oder ein manuell einstellbarer elektrischer Tilt der Antennen)
- ferngesteuerte Einstellungen (insb. der Verstärkerausgangsleistung und des elektrischen Tilt)
- für jede Sendeantenne die effektiv eingestellte maximale Sendeleistung (ERP) pro Funkdienst, die aus den obgenannten Hardware-Spezifikationen und den aktuellen Einstellungen automatisch berechnet wird
- für jede Sendantenne die bewilligte maximale Sendeleistung (ERP) pro Funkdienst und den bewilligten Winkelbereich für die Senderichtungen
Das QS-System muss über eine automatisierte Überprüfungsroutine verfügen, welche einmal pro Arbeitstag die effektiv eingestellten Senderichtungen und maximalen Sendeleistungen sämtlicher Antennen des betreffenden Netzes mit den bewilligten Werten vergleicht.
2. Ist die Kontrolle ausreichend, wenn die Betriebsdaten nur einmal pro Tag mit den Bewilligungsdaten verglichen werden, obwohl die Sendeleistung je nach Tageszeit und Gesprächsaufkommen variiert?
Es trifft zu, dass die Sendeleistung einer Mobilfunkbasisstation im Tagesverlauf variiert. Für die Kontrolle im QS-System spielt dies jedoch keine Rolle, weil im QS-System nicht eine momentane, sondern die höchstmögliche Sendeleistung erfasst und kontrolliert wird.
Diese maximal mögliche Sendeleistung wird für jede Antenne von der Steuerzentrale des Mobilfunkbetreibers aus ferngesteuert eingestellt. Die Einstellung ist statisch, sie wird nur alle paar Monate oder noch seltener verändert. Im Betrieb der Antenne ist die Sendeleistung meistens deutlich kleiner als dieser Einstellungswert, für kurze Perioden eventuell gleich hoch, aber nie höher.
Dies hat folgenden Grund: Eine Mobilfunkbasisstation sendet dauernd technische Informationen, die zum Beispiel für den Verbindungsaufbau benötigt werden. Zusätzlich zu diesem konstanten Anteil wird mehr Leistung abgestrahlt, wenn Gespräche oder andere Daten übertragen werden. Je nach Menge der übermittelten Daten, der Verbindungsqualität und der Art des Netzes (GSM, UMTS) sind die Sendeleistungen verschieden hoch, die eingestellte maximale Sendeleistung wird dabei aber - wenn überhaupt - nur selten erreicht. Erfasst wird im QS-System allerdings diese maximal mögliche Sendeleistung und nicht die jeweils momentane. Es ist daher unerheblich, zu welchem Zeitpunkt eines Tages die eingestellten maximalen Sendeleistungen mit den maximal bewilligten Leistungen gemäss Standortdatenblatt verglichen werden.
Folgende Analogie mag das Prinzip illustrieren: Ein Warmwasserboiler ist auf eine bestimmte Temperatur eingestellt, z.B. 60 °C. Das Wasser, mit dem man duscht, kann höchstens so heiss sein wie das Wasser im Boiler, in der Regel ist es jedoch kälter, weil man noch Kaltwasser zumischt. In ein Qualitätssicherungssystem analog demjenigen für die Mobilfunkantennen würde vorliegend die am Boiler eingestellte Solltemperatur eingetragen, nicht diejenige des Wassers, das aktuell aus der Brause strömt. Die Boilereinstellung würde einmal pro Tag abgelesen (wann, spielt keine Rolle). Wenn der Sanitärinstallateur nach einer Revision die Einstellung absichtlich oder unabsichtlich verändert, würde der neue Wert abgelesen und ins QS-System eingetragen. Das QS-System würde reklamieren, wenn die neue Einstellung höher wäre als ein Maximalwert, den der Hausbesitzer z.B. aus Energiespargründen einhalten will.
3. Was sagt das Bundesgericht zum Qualitätssicherungssystem?
Während der Erprobungsphase des Qualitätssicherungssystems (QS-System) hat das Bundesgericht mehrfach entschieden, dass das vom BAFU vorgeschlagene QS-System grundsätzlich den Anforderungen der bundesgerichtlichen Rechtssprechung an eine wirksame Kontrolle der Emissionsbegrenzungen genüge. Es werde Aufgabe des BAFU und der kantonalen Vollzugsbehörden sein zu prüfen, ob die QS-Systeme der Mobilfunkbetreiber die ihnen zugedachte Kontrollfunktion effektiv erfüllten. Sollte sich das Kontrollsystem, auch nach allfälligen Verbesserungen und Ergänzungen, als ungenügend erweisen, müsse die Kontrolle durch bauliche Vorkehrungen vorgenommen werden (vgl. z.B. Entscheide 1A57/2006 vom 6. September 2006, 1A60/2006 vom 2. Oktober 2006, 1A54/2006 vom 10. Oktober 2006 oder 1A142/2006 vom 4. Dezember 2006).
Nachdem die Erprobung des QS-Systems durch die Kantone und das BAFU abgeschlossen war und ein Evaluationsbericht der Arbeitsgruppe NIS des Cercl'Air vorlag, hat das Bundesgericht diesen Bericht im Entscheid 1C_282/2008 vom 7. April 2009 geprüft. Das Bundesgericht erkennt dabei das QS-System als gutes Kontrollinstrument an und erachtet es nicht als notwendig, auf eine Kontrolle durch bauliche Massnahmen zurückzukommen (s. Erwägung 3.5).
Letzte Änderung 02.04.2024