Auswirkungen von Lichtemissionen in der Nacht

Übermässiges künstliches Licht beeinträchtigt nicht nur die natürliche Nachtlandschaft, sondern kann auch das Leben vieler Pflanzen- oder Tierarten und den Menschen erheblich stören. Zum Beispiel verlieren Zugvögel ihre Orientierung und Insekten verbrennen an Lichtquellen. Menschen können an Schlafstörungen leiden oder am Tag durch reflektiertes Sonnenlicht belästigt werden.

Nächtliche Beleuchtung auf dem Helvetiaplatz in Bern
Nächtliche Beleuchtung auf dem Helvetiaplatz in Bern.
Foto: Severin Bigler

Nachtlandschaft

Die gegen oben gerichteten und reflektierten Lichtemissionen haben sich in der Schweiz seit den 1990er-Jahren mehr als verdoppelt. Natürlich dunkle Gebiete werden immer seltener. Der hohe Zersiedelungsgrad und die coupierte Topografie tragen dazu bei, dass Kunstlicht weit in die nächtliche Landschaft hinaus wirkt. Dies führt zum Verlust der natürlichen Nachtlandschaft.

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Foto: Rene L. Kobler

Das Licht von Sonne, Mond und Sternen ist ein wesentlicher Bestandteil der Landschaft. Das Licht der Gestirne ermöglicht den Menschen das Erleben der Landschaft bei Nacht und vermittelt ganz andere Eindrücke als bei Tageslicht oder künstlicher Beleuchtung. Im Schweizer Mittelland ist der Nachthimmel durch die künstliche Beleuchtung so stark aufgehellt, dass von blossem Auge nur noch ein Bruchteil der potenziell wahrnehmbaren Sterne sichtbar ist.

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Entwicklung der Lichtemissionen

In den letzten zwanzig Jahren nahm der Flächenanteil mit Nachtdunkelheit deutlich ab: 1994 konnte eine natürliche Dunkelheit nur noch auf 28% der Fläche der Schweiz beobachtet werden, 2009 nur noch auf 18%. Die zwischen den Ballungszentren liegenden dunklen Bereiche wurden in diesem Zeitraum zunehmend heller.

Insgesamt haben sich die gegen oben gerichteten und reflektierten Lichtemissionen in der Schweiz zwischen 1994 und 2020 mehr als verdoppelt.

Entwicklung der nächtlichen Dunkelheit zwischen 1994 und 2020

Lichtverschmutzung, Schweiz, 1994
Lichtverschmutzung, Schweiz, 2020

Auswirkungen auf Gebiete mit Schutzstatus

In Landschaften und Naturdenkmälern von nationaler Bedeutung (BLN) und in Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung wirkt sich die Zunahme der Lichtemissionen besonders negativ aus und beeinträchtigt das Erlebnis der Landschaft. Zur ungeschmälerten Erhaltung eines Objekts muss der im Inventar angestrebte Schutz vollumfänglich zur Geltung gelangen.

Neben der generellen Aufhellung ist auch die gezielte Beleuchtung von natürlichen Objekten wie Berggipfeln zu deren Inszenierung oder gar zur Projektion von Werbung eine unerwünschte Auswirkung auf die Nachtlandschaft.

Die Nacht auf dem Weg zum Verschwinden

Bereits Mitte der 1990er-Jahre gab es im Schweizer Mittelland keinen einzigen Quadratkilometer völliger Dunkelheit mehr. Seither hat die Lichtverschmutzung weiter zugenommen – und sich bis heute nochmals mehr als verdoppelt.

Artenvielfalt

Nachtaktive Tiere können durch künstliches Licht erheblich gestört werden. Der Lebensraum von Tieren kann durch Lichtemissionen zerschnitten, ihr Aktionsradius eingeschränkt und das Nahrungsangebot reduziert werden. Bei bedrohten Arten muss ein Rückgang oder gar das Aussterben von kleinen, isolierten Populationen besonders befürchtet werden.

Für viele Tiere sind künstliche Beleuchtungen in erster Linie in der warmen Jahreszeit von Frühling bis Herbst ein Problem. In diese Zeit fällt ihre Fortpflanzung und damit verbunden eine grössere Aktivität für die Futtersuche und Aufzucht der Jungen.

Beispielsweise werden folgende Lebewesen von Lichtemissionen in der Nacht beeinträchtigt:

Vögel

Bei Vögeln sind besonders drei Auswirkungen von künstlichem Licht bekannt: die Attraktionswirkung von Licht, die Schreckreaktion auf Lichtreize und der verfrühte Beginn des Gesangs von Singvögeln.

Ein grosser Teil der Zugvögel ist in der Nacht unterwegs. Dabei orientieren sie sich auf ihrem Weg an den Sternen und am Magnetfeld der Erde. Diese Kombination ermöglicht ihnen eine Orientierung auch bei bedecktem Himmel. Diese wird jedoch durch künstliches Licht beeinträchtigt.

Trotz der Möglichkeit zur Orientierung am Erdmagnetfeld ziehen die Vögel wenn möglich die Orientierung am Licht vor. Bei schlechtem Licht scheinen sie generell von Licht angezogen zu werden und geraten in die Lichtglocke. Als Folge davon fliegen sie stundenlang im Kreis herum. Auf diese Weise gehen wertvolle Energiereserven für den langen, anstrengenden Flug verloren. Oft sterben die Vögel noch im Lichtdom an Erschöpfung oder fliegen in Gebäude und verenden auf diese Weise.

Plötzlich auftretende starke Lichtreize von Scheinwerfern oder Skybeamern führen bei Vögeln zu erheblichen Schreckreaktionen. Sie weichen von ihrer ursprünglichen Richtung ab, reduzieren ihre Fluggeschwindigkeit und versuchen dem Lichtstrahl vertikal zu entweichen. Erst ab einer Distanz von etwa einem Kilometer ist der Einfluss des Lichtstrahls nicht mehr messbar.

Durch die künstliche Aufhellung der Nacht beginnen Singvögel in beleuchteten Stadtpärken oder in der Nähe von Strassenbeleuchtungen am Morgen früher zu singen als im Wald. Im Einflussbereich von Strassenlaternen legen die Weibchen ihre Eier früher und die Männchen sind doppelt erfolgreich bei der Kopulation und der Produktion von Nachwuchs. Die verfrühte Eiablage bewirkt, dass wichtige biologische Prozesse nicht mehr synchronisiert ablaufen. Der Futterbedarf der Jungen deckt sich nicht mehr mit der grössten Verfügbarkeit des Futters.

Zugvögel, die in ihren Überwinterungsgebieten künstlichem Licht ausgesetzt sind, setzen schneller Fett an und ziehen im Frühling früher ins Sommerquartier als Individuen, die nicht im Einflussbereich von künstlichem Licht überwintern. Die Vögel kommen zu früh im Brutgebiet an und die Überlebenschancen sinken.

Fledermäuse

Die grösste Auswirkung hat künstliche Beleuchtung beim Ausflug der Fledermäuse am Abend und beim Schwärmen vor dem Tagesquartier bei der Rückkehr von der Jagd am Morgen. Wird das Ausflugsloch beleuchtet, fliegen die Tiere am Abend später aus, was die Dauer der Nahrungssuche verkürzt und direkte Auswirkungen auf die Überlebenschancen der Jungen, resp. auf deren Grösse hat.

Da Fledermäuse im Winter andere Quartiere bewohnen als im Sommer, beschränken sich die Auswirkungen der Beleuchtung auf die Sommermonate von April bis Oktober.

Insekten

Abend- und nachtaktive Insekten (Nachtfalter, Köcherfliegen, Grillen etc.) werden durch künstliches Licht angezogen und von ihrem natürlichen Lebensraum weggelockt. Anstatt Nahrung zu suchen, sich zu paaren und Eier zu legen verlieren sie ihre Energievorräte, indem sie desorientiert um Leuchten herumfliegen. Sie bleiben an den Lichtquellen gefangen und sterben an Übermüdung, verbrennen an der Lampe oder werden zur Beute ihrer Feinde (Fledermäuse, Spinnen, räuberische Insekten).

Amphibien

Amphibien sind fast ausschliesslich nachtaktiv. Für gewisse Arten wurde gezeigt, dass sie empfindlich auf Hell-Dunkel-Wechsel reagieren, dass sie bei Beleuchtung später zur Nahrungssuche aufbrechen oder die Paarung durch helles Licht verhindert wird.

Lichtassimilierende Pflanzen

Bei Pflanzen werden die Samenkeimung, das Stängelwachstum, die Blattausdehnung, der Übergang vom vegetativen in den Blühstatus, die Blüten- und Fruchtentwicklung und die Alterung durch lichtempfindliche Rezeptoren gesteuert. Werden Pflanzen in der Mitte der Dunkelphase mit künstlichem Licht beleuchtet, kann bei gewissen Arten die Blütenbildung verhindert werden, während sie bei anderen angeregt wird.

Strassenbeleuchtung Laub
Es kann vorkommen, dass im Spätherbst ein Ast unter einer Laterne noch Blätter hat, während der unbeleuchtete Rest des Baumes kahl ist.

Kunstlicht – ein Störfaktor für Tiere und Pflanzen

Die Erfindung der Glühlampe war ein Segen. Doch nun zeitigt der Zuwachs an künstlicher Beleuchtung weltweit negative Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Eine neue Vollzugshilfe des Bundes, Dunkelkorridore in Genf und viele weitere Initiativen zeigen Auswege auf.

Mensch

Eine übermässige Beleuchtung in der Nacht kann auch negative Folgen auf den Menschen haben. Diese reichen von einer einfachen Belästigung, die bereits durch wenig intensives Licht ausgelöst werden kann, bis zu Schlafstörungen.

Genügend Licht zur richtigen Zeit ist unabdingbar für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen. Zu viel Licht kann jedoch auch negative Folgen haben. Bei den künstlichen Lichtquellen stehen Auswirkungen im Vordergrund, die der Belästigung oder der Störung des Wohlbefindens zuzuordnen sind. 

Belästigende Blendung

Wenn sich Menschen in der Nacht durch helle Lichtquellen im Gesichtsfeld gestört oder belästigt fühlen, spricht man in der Literatur von psychologischer Blendung. Die Bewertung als störend oder belästigend ist subjektiv und erfolgt unabhängig davon, ob die Sehfunktion beeinträchtigt ist oder nicht.

Als störend wird möglicherweise empfunden, dass eine helle Lichtquelle den Blick auf sich zieht, ohne aber wesentliche Informationen zu liefern. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass hell und dunkel beleuchtete Stellen auf der Netzhaut dazu führen, dass die Muskulatur, welche die Pupille bei Dunkelheit öffnet, in Konflikt gerät mit der Muskulatur, welche die Pupille bei Helligkeit schliessen will.

Nachtspaziergang zum Thema Lichtemission
Beleuchtung am Helvetiaplatz in Bern.
Foto: Severin Bigler

Wohnraumaufhellung

Als Wohnraumaufhellung gilt die Aufhellung des Wohnbereichs durch eine in der Nachbarschaft vorhandene Beleuchtungsanlage, welche zu einer eingeschränkten Nutzung dieses Wohnbereichs führt. Eine übermässige Raumaufhellung kann zu unterschiedlichen Störwirkungen führen, am häufigsten werden Schlafstörungen genannt.

Wohnraumaufhellung
Wohnraumaufhellung
Quelle: BAFU
Kugelleuchten vor Wohnung
Kugelleuchten vor Wohnung
Quelle: BAFU

Als besonders störend gelten in der Reihenfolge zunehmender Störung:

  • gelbes oder weisses Licht
  • grünes, rotes oder blaues Licht
  • blinkendes Licht mit geringer und mit hoher Blinkfrequenz

Blinkendes Licht kann auch bei Sonnenlicht zu Störungen führen, z.B. durch Lichtreflexe von Windkraftanlagen. Für konstante Raumaufhellungen liegen Erfahrungswerte für deren Zumutbarkeit vor.

Chronobiologische Wirkungen

Der Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen wird wesentlich durch das Tageslicht bestimmt. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass auch künstliches Licht einen Einfluss auf diesen Tag-Nacht-Rhythmus haben kann.

Diese sog. chronobiologischen Wirkungen werden durch Licht ausgelöst, das nicht über den Sehnerv registriert wird, sondern über Rezeptoren ohne Sehfunktion, die über die Netzhaut verteilt sind. Blaues Licht resp. Licht mit einem hohen Blauanteil im Spektrum scheint besonders stark auf diese Rezeptoren zu wirken.

Vor rund 10 Jahren ging man noch davon aus, dass Beleuchtungsstärken, wie sie bei einem bedeckten Himmel im Sommer auftreten, erforderlich sind, um solche biologischen Wirkungen auszulösen. Inzwischen wurden entsprechende Effekte jedoch auch bei sehr viel geringeren Intensitäten festgestellt. Die noch junge Forschung in diesem Bereich geht weiter und es wird untersucht, ob auch bereits schwache Lichtquellen wie LED-Bildschirme oder Energiesparlampen solche Wirkungen haben können. Denn im Vergleich zu den bisherigen Leuchtmitteln weisen letztere einen höheren Blaulichtanteil auf und könnten aus diesem Grund biologisch wirksamer sein.

Derzeit konzentriert sich die chronobiologische Forschung auf Lichtquellen im Innenraum, die unmittelbar auf den Menschen einwirken. Sobald bekannt ist, ab welchen Lichtintensitäten solche Effekte ausgelöst werden, wird sich auch abschätzen lassen, ob Lichtquellen in der Umwelt (aufgrund ihres Lichtspektrums und ihrer Intensität am Einwirkort) ebenfalls entscheidend zu den chronobiologischen Wirkungen beitragen oder ob es sich dabei eher um ein generelles Problem des heutigen Lebensstils (veränderte Innenraumbeleuchtung, anderes Freizeitverhalten etc.) handelt.

Schlafrhythmus: «Selbst dem Menschen wird die Nacht zu hell»

Künstliches Licht kann nicht nur der Natur, sondern auch dem Menschen schaden. Betroffen ist unter anderem der Schlaf-Wach-Rhythmus. Durch einen bewussten Umgang mit Beleuchtung im Aussen und Innenraum lassen sich negative Auswirkungen mildern.

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Letzte Änderung 16.07.2024

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