Ein gestörter Geschiebehaushalt kann negative Auswirkungen auf die Gewässerlebensräume, den Hochwasserschutz oder das Grundwasser haben. Das Gewässerschutzgesetz schreibt deshalb vor, diese Beeinträchtigungen zu beseitigen und in Zukunft zu verhindern.
Der natürliche Transport von Sand, Kies und Steinen in Fliessgewässern – dem sogenannten Geschiebe – wird durch Wasserkraftwerke, Gewässerverbauungen wie etwa Geschiebesammlern, sowie Kiesentnahmen im Gewässer gestört. Wird der Geschiebetrieb deutlich unter das natürliche Niveau reduziert, führt dies im Unterlauf zu einem Geschiebedefizit. Kiesbänke und andere morphologische Strukturen an der Gewässersohle schwemmen weg.
Mit ihnen gehen ökologisch wertvolle Lebensräume verloren: Kiesbänke und Kiesablagerungen bilden den Lebensraum für Fische, Insektenlarven und andere Tiere. Kiesbänke und ein lockeres kiesiges Substrat dienen einheimischen Arten wie der Bachforelle als Laichablage.
Gemäss Gewässerschutzgesetz dürfen Anlagen wie Kraftwerke, Geschiebesammler oder Kieswerke den Geschiebehaushalt nicht so verändern, dass die Tiere und Pflanzen, deren Lebensräume, der Grundwasserhaushalt und der Hochwasserschutz wesentlich beeinträchtigt werden. Sie müssen so saniert werden, damit sich wieder eine naturnahe Morphologie und Dynamik im Gewässer einstellen kann.
Bei bestehenden Anlagen müssen bis 2030 entsprechende Massnahmen umgesetzt werden. Die Inhaber werden für die Kostenfolgen der notwendigen Sanierungsmassnahmen in den Bereichen Geschiebe, Schwall-Sunk und Fischgängigkeit entschädigt (siehe Finanzierung Sanierung Wasserkraft).
Knapp 500 Anlagen sanierungsbedürftig
Die Kantone gaben 2014 in ihrer strategischen Planung an, dass rund 500 Anlagen bezüglich Geschiebeführung sanierungsbedürftig sind – davon rund 140 Wasserkraftwerke und 360 andere Anlagen. Alle vier Jahre berichten sie über den Stand der Umsetzungsarbeiten.
In der aktuellen Berichterstattung per Ende 2022 haben die Kantone Angaben zu 256 sanierungsbedürftigen Anlagen geliefert (107 Wasserkraftanlagen, 146 andere Anlagen).
Die Umsetzungsgeschwindigkeit bei der Sanierung des Geschiebehaushalts konnte im Vergleich zur Umsetzungsperiode 2014-2018 um rund 50°% erhöht werden. Bei über der Hälfte aller gemeldeter Anlagen wurde mit den Sanierungsarbeiten begonnen.
Renaturierung der Schweizer Gewässer Stand ökologische Sanierung Wasserkraft 2022 (BAFU 2024) (PDF, 6 MB, 25.09.2024)Stand ökologische Sanierung Wasserkraft 2022
Das Geschiebe der Aare kommt wieder ins Rollen
In der Aare zwischen dem Bielersee bis zur Mündung in den Rhein haben die grossen Stauhaltungen, Kiesentnahmen und der Geschieberückhalt in den Zuflüssen den Geschiebehaushalt über die letzten Jahrzehnte zum Erlahmen gebracht. Die Konsequenzen daraus sind Ausräumung des Gerinnes, Erosion, Vergröberung, Abpflästerung und Kolmation der Sohle.
Mit Kiesschüttungen an verschiedenen Standorten entlang der Aare wird das erlahmte Kiesförderband der Aare wieder in Schwung gebracht. Im Vergleich mit den anderen grossen Flüssen des Schweizer Mittellands ist die Sanierung des Geschiebehaushalts an der Aare bereits weit fortgeschritten.
Die Wirkungskontrollen zeigen vielversprechende morphologische und biologische Verbesserungen. Eindrücklich ist der sprunghafte Anstieg der natürlichen Reproduktion der Äschen nach den erstmaligen Schüttungen bereits im Jahr 2005. Bis sich die Aare morphologisch und biologisch erholt, wird es aber noch Zeit brauchen.
Hilfsmittel für die Planung und Umsetzung von Sanierungsmassnahmen
Um die Auswirkungen eines veränderten Geschiebehaushaltes zu beseitigen, sind sowohl bauliche als auch betriebliche Massnahmen möglich, z.B.:
- bauliche Anpassung von Wehrschwellen oder Grundablässen bei Wasserkraftwerken
- Bau einer Abflussrinne in Geschiebesammlern für Teildurchgängigkeit
- Absenken des Staupegels bei Hochwasser durch Geschiebedurchleitung an Wehranlagen
- Reduktion oder Einstellung von Geschiebeentnahmen
- Geschiebeschüttung im Unterwasser einer nicht durchgängigen Anlage.
Wichtige Fragen zum Vollzug und zur Finanzierung von Sanierungsprojekten in den Bereichen Schwall/Sunk, Geschiebehaushalt und Fischgängigkeit beantwortet das FAQ Sanierung Wasserkraft.
Links
Dokumente
Künstliche Hochwasser - Massnahme zur Beseitigung ökologischer Beeinträchtigungen in Restwasserstrecken unterhalb von Speicherseen (PDF, 1 MB, 04.07.2019)Auslegeordnung Grundlagen und Handlungsbedarf
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter (PDF, 3 MB, 10.07.2014)Studie im Auftrag des BAFU
Die erforderliche Geschiebefracht (PDF, 31 MB, 30.09.2021)Fachbericht zum Modul «Geschiebehaushalt – Massnahmen» der Vollzugshilfe Renaturierung der Gewässer
Ein Hochwasser für die Dynamik der kleinen Saane 14./15. September 2016 (PDF, 96 kB, 14.09.2016)Groupe E wird auf der Saane in Zusammenarbeit mit den betroffenen staatlichen Dienststellen ein künstliches Hochwasser erzeugen.
Finanzierung
Letzte Änderung 23.08.2022