Nachhaltige Finanzen

Unsere Produktions- und Konsummuster überschreiten die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten: Klimawandel, Wasserknappheiten, Biodiversitätsverlust usw. sind die Folgen. Um die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme für heutige und künftige Generationen sicherzustellen, ist ein zeitnaher Übergang der Realwirtschaft zu einer ressourceneffizienten und zukunftsfähigen Wirtschaft notwendig. Der Finanzsektor kann diesen beschleunigen.


Nachhaltige Finanzen

Ein Finanzsystem gilt als nachhaltig, wenn seine Finanzierungs- und Investitionsentscheide eine Wirtschaftsweise fördern, welche die Knappheit begrenzter natürlicher Ressourcen und die Regenerationsfähigkeit erneuerbarer Ressourcen berücksichtigt. Um die Nachhaltigkeit zu steigern und damit zusammenhängende Geschäftsmöglichkeiten zu nutzen, müssen Finanzakteure systematisch Nachhaltigkeitsfaktoren in ihren Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Beispiele relevanter Nachhaltigkeitsfaktoren, sogenannte ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance), sind CO2-Emissionen, Wasserverbrauch, Ausschluss von Kinderarbeit, die Wirksamkeit von Führungsstrukturen zur Sicherstellung einer guten Unternehmensführung usw.

Das Vorurteil vieler Investoren und Vermögensberater, Nachhaltigkeit gehe auf Kosten der Rendite, hält sich hartnäckig. Studien (Universität Oxford und Arabesque, Universität Hamburg und Deutsche Asset Management, Universität Genf und Swiss Finance Institut) belegen aber, dass nachhaltige Geldanlagen mindestens genauso gut abschneiden wie herkömmliche Anlageformen.

Interviews von der Expertenkonferenz «Wirtschaft und Praxis für Grüne Finanzen», 19.11.18, Swiss Re.


Weltgemeinschaft setzt starke Signale

2015 markierte ein Jahr mit wesentlichen Errungenschaften der internationalen Staatengemeinschaft für die Nachhaltigkeit und deren Finanzierung:

  • Agenda 2030: an der Nachhaltigkeitskonferenz in New York, mit der Einigung auf 17 universell gültige Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, den so genannten Sustainable Development Goals (SDG);
  • Addis Accord: die Addis-Abeba-Aktionsagenda zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung;
  • Paris Agreement, COP 21: Übereinkommen von Paris, bei dem sich die internationale Gemeinschaft unter anderem darauf geeinigt hatte, Finanzflüsse auf eine treibhausgasarme und klimaschonende Entwicklung auszurichten (Artikel 2.1.c).

Agenda internationaler Finanzgremien

Die Finanzierung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung und der Klimaziele von Paris ist mit öffentlichen Mitteln alleine nicht gesichert, die Mobilisierung privater Gelder ist zwingend notwendig. Die Ausrichtung des Finanzsystems auf diese Ziele gewinnt daher an Bedeutung. Internationalen Finanzgremien haben dies erkannt:

  • Unter chinesischer Präsidentschaft hat die G20 im Jahr 2016 die Thematik „Developing Green Finance“ zu einer Priorität gemacht und im Rahmen des G20 Finance Track eine Studiengruppe zu Green Finance (G20 Green Finance Study Group, GFSG) eingesetzt; unter deutscher Präsidentschaft im Jahr 2017 wird die GFSG weitergeführt
  • Die von der Industrie geleitete Financial Stability Board Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) hat Empfehlungen für die freiwillige Offenlegung und Darstellung von klimabezogenen Finanzrisiken publiziert;
  • Es gibt verstärkt Initiativen internationaler Organisationen wie z.B. des IWF, der OECD und des Umweltprogramms der UNO (UNEP) im Bereich Nachhaltige Finanzen.

Biodiversität und Finanzmarkt

Weltweit befindet sich die Biodiversität in einem starken Rückgang. Wirtschaftliche Aktivitäten, welche der Biodiversität schaden sind der Hauptgrund dafür. Auch Finanzinstitutionen nehmen einen negativen Einfluss auf Biodiversität, wo sie biodiversitätsschädigende Aktivitäten von Unternehmen finanzieren.

Da geschätzt die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung moderat bis stark von der Biodiversität abhängt, sind sowohl Realwirtschaft als auch der Finanzsektor massiven Risiken durch Biodiversitätsverlust ausgesetzt. Das Weltwirtschaftsforum WEF bezeichnet in seinem Global Risks Report den Biodiversitätsverlust als eines der grössten Umweltrisiken. Mit dem Verlust von Biodiversität geht auch der Verlust von essentiellen Ökosystemleistungen einher. Unternehmen, die z.B. auf fruchtbare Böden, Insektenbestäubung oder Wasserversorgung angewiesen sind, sind somit direkt den Risiken des Biodiversitätsverlusts ausgesetzt. Denselben Biodiversitätsrisiken sind auch Finanzinstitutionen ausgesetzt, welche in diese Unternehmen investiert sind.

Mit dem ENCORE Tool können Finanzinstitutionen Biodiversitätsaspekte in ihre Finanzentscheide einbeziehen. Finanzflüsse können so gezielt weg von biodiversitätsschädlichen hin zu biodiversitätsfördernden wirtschaftlichen Aktivitäten gelenkt werden. Die von der Biodiversitätskonvention definierten Ziele zum Erhalt der Biodiversität dienen dabei als Orientierung.

In einer ersten vom SECO unterstützten Version des ENCORE Tools konnten mit wirtschaftlichen Aktivitäten verbundene Biodiversitätsrisiken ermittelt werden. Diese werden nun durch Unterstützung vom BAFU in einer zweiten Version mit Biodiversitätswirkungen ergänzt. Verschiedene Indikatoren zeigen auf, inwieweit das Investitionsportfolio der Biodiversität schadet bzw. inwieweit es mit den internationalen Biodiversitätszielen in Einklang ist. In Folge können konkrete Schritte unternommen werden um das Portfolio biodiversitätsfreundlicher zu gestalten. Das Tool wurde in Zusammenarbeit mit Grossbanken und Versicherungen erarbeitet. Es ist frei zugänglich und soll als nützliche Hilfestellung dienen für Finanzinstitutionen in der Schweiz und weltweit, damit sich diese vermehrt an den globalen Biodiversitätszielen ausrichten.


Wasser und Finanzmarkt

Weltweit stehen 90 Prozent aller Naturkatastrophen in einem Zusammenhang mit dem Wasser. Infolge des Klimawandels, des zunehmenden Bedarfs an Süsswasser sowie des Bevölkerungs- und Einkommenswachstums ist davon auszugehen, dass sich die Wasserkrise und die damit verbundenen Risiken verschärfen werden. Die Folgen werden für die Zivilgesellschaft, die Unternehmen und die Investoren gleichermassen spürbar sein. 

Ereignisse bedeutender gestrandeter Vermögenswerte aufgrund ihrer Gefährdung durch verschiedene Arten von Wasserrisiken erleben wir bereits heute. In diesem Bericht sind konkrete Beispiele für solche Ereignisse aufgezeigt, die sich in jüngster Zeit in vier der am stärksten wasserabhängigen Sektoren ereignet haben: Kohle, Öl und Gas, Energie sowie Metalle und Bergbau.

Wasserrisiken sind eng mit anderen Umweltrisiken verflochten. Wird mit diesen Risiken nicht angemessen umgegangen, könnten Klima- und Biodiversitätsrisiken zunehmen. Ein adäquater Umgang mit Wasserrisiken trägt folglich zur Milderung von Biodiversitätsrisiken sowie zur Erreichung der Ziele des Klimaübereinkommens von Paris sowie der Biodiversitätskonvention (CBD) bei.

Zwar werden wasserbezogene Risiken von zahlreichen Investoren erkannt, aber nur wenige von ihnen berücksichtigen die Folgen ihrer Investitions- und Finanzierungsentscheidungen für die längerfristige quantitative und qualitative Verfügbarkeit von Wasser oder pflegen eine aktive Beziehung zu Kapitalnehmern. Investoren können bei der Bewältigung der Wasserkrise eine aktive Rolle spielen.

Die folgende Publikation zeigt auf, wie Investoren gemeinsam mit den Firmen, in die sie investiert sind,  durch die Gewährleistung der Wassersicherheit auf Einzugsgebietsebene zur Verwirklichung des SDG 6 beitragen können.

Wassersicherheit auf der Einzugsgebietsebene bedeutet, dass die Versorgung aller Verbraucher mit Süsswasser in ausreichender Menge und in annehmbarer Qualität nachhaltig gesichert ist.

The ‘understand-design-act’ framework for basin water security
Abbildung 1: Das ‘Verstehen-Planen-Umsetzen’-Modell für Wassersicherheit

Der Bericht ist als praxisorientierte Hilfestellung konzipiert und erläutert die einzelnen Etappen im Detail.

Four principles of basin water security
Abbildung 2: Die vier Prinzipien der Wassersicherheit

Er erörtert verschiedene Fallstudien, zeigt Hilfsmittel und Methoden auf und präsentiert Datenquellen.

Hilfestellung zur Identifizierung von Wasserrisiken bietet auch der von Southpole verfasste technische Bericht.


Digitalisierung als Chance

Fintech als Bestandteil der Digitalisierung (Big Data, das Internet der Dinge, Blockchain und künstliche Intelligenz) eröffnet Chancen für die schnellere, breitere und kostengünstigere Integration von Umweltkriterien in Finanzierungs- und Investitionsentscheide. Relevante, zuverlässige, zeitnahe und richtungssichere Umweltdaten, die öffentlich zugänglich sind, können dank digitaler Finanztechnologie in Analysen, Modellierungen und Bewertungen von Umweltrisiken und -chancen integriert werden.

Die UNEP Inquiry into the Design of a Sustainable Financial System sieht in Ihrem Ende 2016 erschienenen Bericht „Fintech and Sustainable Development. Assessing the Implications“ in Fintech eine Chance, die Integration von Finanz- und Realwirtschaft zu beschleunigen und den Übergang zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft zu verbessern.


Schweizer Engagement in der UNEP Inquiry into the Design of a Sustainable Financial System

Das Umweltprogramm der UNO (UNEP) machte mit der 2014 lancierten «UNEP Inquiry into the Design of a Sustainable Financial System» auf die historische Herausforderung – die Finanzierung des Übergangs zu einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise – aufmerksam. Das Ziel der UNEP-Inquiry ist es, Best-Practice-Beispiele und Erfahrungen verschiedener Länder zu sammeln und Strategien für eine bessere Ausrichtung des Finanzsystems auf die Bedürfnisse einer nachhaltigen Entwicklung zu definieren.

Der Global Report «The Financial System We Need: Aligning the Financial System with Sustainable Development» wurde am 8. Oktober 2015 in Lima auf dem jährlichen Treffen von Weltbank und Internationalem Währungsfond präsentiert. In dem Bericht entwickelte die UNEP Inquiry ein «Framework for Action», welches vielversprechende Praktiken der Länder systematisiert. Auf diese Weise bieten die Arbeiten der UNEP -Inquiry eine gute Grundlage für nächste Schritte hin zur Etablierung eines nachhaltigen Finanzsystems auf nationaler und internationaler Ebene.

Das BAFU unterstützte die UNEP Inquiry. Für die inhaltlichen Arbeiten der Schweiz wurde das „Swiss Team for the UNEP Inquiry“ mit Expertinnen und Experten des Bundes, des Finanzsektors, der Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen gebildet. Das Swiss Team diskutierte u.a. die beiden Kernfragen der UNEP Inquiry:

  • Warum werden angesichts der weltweit reichlich vorhandenen privaten Finanzmittel nicht ausreichende Investitionen für den Übergang in eine Grüne Wirtschaft getätigt?
  • Welche Rahmenbedingungen sind für ein Finanzsystem im Dienste einer ressourceneffizienten und zukunftsfähigen Wirtschaft notwendig?

Die ersten Erkenntnisse des Swiss Teams aus dieser Diskussion wurden am 6. Mai 2015 anlässlich des Symposiums «Swiss Finance in a changing world» in Bern vorgestellt. Sie wurden im Finanzsektor international und national geschätzt und flossen in die Arbeiten des Global Reports der UNEP Inquiry ein.

Zudem erarbeitete das Swiss Team « Vorschläge für einen Fahrplan zu einem nachhaltigen Finanzsystem in der Schweiz», mit 20 Massnahmen für ein nachhaltigeres Finanzsystem in der Schweiz. Der Bericht wurde am 14. Juni 2016 anlässlich der Jahresversammlung von Swiss Sustainable Finance präsentiert.

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Letzte Änderung 07.07.2022

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